In den letzten Wochen bin ich verstärkt in Leser- und Autorengruppen eingetreten. Habe schon wieder ein paar neue Kontakte zu ganz tollen Kollegen geschlossen. Ich liebe mein Netzwerk und es wird immer besser. In der einen oder anderen Gruppe bahnt sich dann auch mal eine Diskussion an, die so dermaßen lustig ist, dass man Gefahr läuft, da hängen zu bleiben. Ach ja, das kennt man ja schon. Eine gefühlte Stunde auf Facebook in einer interessanten Gruppe bedeutet ganz oft, dass vier reale Stunden weg sind. Paff – einfach verdampft. Gestern habe ich mich doch glatt in einer Diskussion verdaddelt, in der es um erotische Szenen in Büchern geht.
Das sieht ja jeder anders!
Als ich mein Manuskript zu „Und Oenghus weinte“ fertig gestellt hatte, reichte ich es natürlich ein bisschen herum. Freunde sind keine guten Kritiker – meistens. Ist klar. Neutrale Meinungen habe ich mir über eine Leserunde geholt. Wie auch immer, trotz allem lasen es auch zwei Freundinnen. Beziehungsweise, eine von ihnen las es, die andere mochte es nicht lesen. Sie kann erotische Szenen in Büchern einfach nicht leiden. Nach der ersten erotischen Szene legte sie es beiseite und fasste es nie mehr an. So was will sie nicht lesen, erklärte sie mir. Okay, damit müssen Autoren leben – ich bin ja auch Leserin und es Dinge, die mag auch ich nicht lesen. Eine andere Freundin hingegen faltete mich zusammen, weil sie keine Ahnung hatte, dass erotische Szenen auf sie zukommen würden. Und als sie mitten in der ersten Szene war, saß sie auch inmitten fremder Menschen. Zusammengefaltet hat sie mich nicht etwa, weil ihr die Szene nicht gefallen hätte – sondern weil sie begeistert war. Aber eben in der falschen Umgebung las. Das hätte ich ihr ja mal sagen können, meinte sie. Ich war amüsiert, klar – sie übrigens auch, denn sie lachte, während sie herumschimpfte. Ich kann es als Autorin nicht Jedem Recht machen. Ich habe einen Stil und den mag man – oder man mag ihn nicht. Eine mochte ihn und die andere nicht. Das ist doch ein super Schnitt, zumal ich sagen muss: Mir war im Prinzip schon vorher klar, dass die Freundin, die nicht weitergelesen hat, das Buch nicht mögen würde. Als Leserin befindet sie sich in ganz anderen Sphären.
Muss Erotik in einem Roman denn überhaupt sein?
Wie heißt es immer? „Kann man schon machen, muss man aber nicht.“ Es sei denn, man schreibt ganz explizit einen erotischen Roman. In allen anderen Genres muss Erotik natürlich nicht einfließen. Auch ohne erotische Szenen kann man die Liebe und die Verbindung eines Paares darstellen. Und man kann sogar Erotik darstellen, alleine anhand vom Umschreibungen und indem man an einem bestimmten Punkt Schluss macht und den Rest der Szene der Fantasie des Lesers überlässt. Es gibt viele Autoren, die diesen Weg in ihren Büchern gehen, und das ist natürlich auch schön. Als Leserin finde ich erotische Szenen schön, wenn sie schön geschrieben sind. Ich kann einen schönen Roman aber auch prima genießen, wenn er überhaupt nichts Erotisches enthält. Aber das muss ich ja nicht für meine eigene Arbeit übernehmen.
Meine Romane und die erotischen Szenen
Ganz ehrlich, wenn ich schreibe, kommt immer jemand vor, der sich verliebt. Warum das so ist – ich weiß es nicht. Liebe ist für mich einfach wichtig. Beziehungen haben einen hohen Stellenwert in meinem Leben und ich habe dazu ganz klare Ansichten und Vorstellungen. Erotik gehört in meinen Augen zu einer Beziehung dazu. Und wenn meine Figuren sich verlieben, wenn sie gar noch zusammenkommen – dann sind das Momente, die ich genieße. Ich schreibe ja nicht immer, manchmal schreibe ich monatelang an keinem neuen Buch. Aber wenn ich schreibe, lebe ich mit meinen Protagonisten. Ich schlüpfe in sie hinein, ich fühle mit ihnen. Klingt das kitschig? Es ist leider die Wahrheit, und ich kenne eine Menge Autoren, die es ähnlich empfinden, wenn sie schreiben. Wenn ich nun also diesen unwiderstehlichen Protagonisten habe, in den sich meine Heldin unsterblich verliebt – dann lasse ich einfach die Leidenschaft zu. Die übermannt mich (schönes Wortspiel in diesem Zusammenhang!) dann auch selbst und schwups, bin ich mittendrin. Die beiden lieben sich, und sie dürfen sich jetzt einfach mal ausleben.
Absolute No-Go`s
Im Grunde war genau das der Inhalt dieser wirklich lustigen Diskussion in der Autorengruppe. Es tauchten Worte auf wie „Lustschwängel“ oder „Lustgrotte“. Die aberwitzigsten Begrifflichkeiten wurden in den Raum gestellt, und das virtuelle Gelächter war groß. Worte bei denen eine ganz normale Frau, würde man sie ihr gegenüber äußern, sich einfach anziehen und gehen würde. Egal wie scharf der Typ ist, aber wenn er mir sagt, dass er an meine Lustgrotte will, fühle ich mich nicht erregt, sondern bedroht. In der Diskussion gab es natürlich auch ein Für und ein Wider. Muss man „das“ überhaupt schreiben? Kann man es nicht einfach weglassen? Manche sagten, sie mögen es einfach nicht lesen. Andere sagten, sie mögen es durchaus, aber es gibt Worte, die mag man nicht hören. Oder lesen. Und am Ende waren es alle Worte, die man sich als Bezeichnung für diverse männliche oder weibliche Körperteile nur vorstellen kann. Von der medizinisch korrekten Bezeichnung bis hin zu der Sprache, die man irgendwo vermutet, wo man glücklicherweise noch nie mit zu tun hatte. Für mich stellte sich das am Ende so dar: Es gibt absolute No-Go`s. Klar! Die liegen aber bei jedem Menschen anders. Mich stört eine Vagina nicht, aber ein Lustschwängel ist bei mir ein Stimmungstöter. Es gibt keine Regel, so mein Eindruck. Es gibt nur persönliche Grenzen. Bei einem Leser darf es derbe zugehen, auch sprachlich. Der andere Leser mag es lieber, wenn die Dinge nur angedeutet und nicht beim Namen genannt werden. Ich bin da – glaube ich – mit meinen erotischen Szenen so ziemlich in der Mitte.
Wie schreibt man am besten erotische Szenen?
Das bin ich schon einige Male gefragt worden, und zwar von Menschen, die gerade erst mit Schreiben anfangen. Die auch, ja: Meine Szenen mochten. Sonst würden sie mich sicher nicht gefragt haben. Allerdings bin ich der letzte Mensch auf Erden, der sich erdreisten würde, anderen Autoren zu sagen: „So geht`s!“ Das mache ich nicht. Auch ich lerne immer noch dazu.
Ein Bekannter, mit dem ich zeitweise einen sehr intensiven Austausch zum Thema kreatives Schreiben habe, erzählte mir neulich, er habe dazu einen Tipp von einem erfolgreichen Autor gelesen: Erotische Szenen solle man niemals so schreiben, dass man sie selbst mag – sondern so, dass sie der Leser mag. Ich fragte mich hingegen, wie es mir möglich sein sollte, zu erahnen, was der Leser lesen will? Außerdem, warum schreibe ich eigentlich? Natürlich, um Leser zu unterhalten, aber im Grunde wollen meine Geschichten auch „aus mir raus“. Gäbe es die Möglichkeit des Publizierens nicht, würde ich trotzdem schreiben. Ich finde, Autoren müssen authentisch sein. Natürlich kann ich mich vor jedem Buch mit Umfragen bemühen, meine Leser fragen, ob sie dies oder jenes mögen. Ob ich das oder jenes schreiben kann, oder ob sie dann das Buch nicht mögen würden. Aber wäre es dann noch mein Buch? Ich glaube nicht. Ich glaube, dann würde ich einen Markt bedienen. Dann würde ich nicht mehr mit der Liebe schreiben, mit der ich normalerweise schreibe: Der Liebe zu meinen Geschichten, zu meinen Protagonisten und der Liebe dazu, eben all das aufzuschreiben.
Ich bin jetzt für mich persönlich zu dem Schluss gekommen, dass ich einen Stil habe, so wie jeder Autor. Und dass ich dabei bleibe. Manche werden ihn mögen, andere nicht. Meine erotischen Szenen fanden bisher sehr viele Leser gut, manchen waren sie zu direkt und zu intensiv beschrieben. Ich glaube kaum, dass man zu diesem Thema das richtige Maß finden kann, denn jeder Mensch hat seine ganz eigenen Grenzen des guten Geschmacks.Vor allem ist es ja so: Man unterhält sich auch mit den Menschen, die man gut kennt, über Bücher. Und so verstehe ich nicht, warum ein Christian Grey (oder schreibt er sich mit ay?) sagen darf: „Ich schlafe nicht mit Frauen. Ich ficke! Hart!“ Und das Ergebnis ist ein tiefes Seufzen. Aber wenn mein Protagonist dieses Wort in den Mund nimmt, seine Geliebte dabei leidenschaftlich in seine Arme reißt, ist es vulgär? Die Grenzen zwischen Pornografie und Erotik sind sehr verschwommen. Ich glaube nicht, dass ich pornografisch schreibe. Ich empfinde meine Szenen als erotisch und leidenschaftlich.
Ich glaube, die „Geschmäcker“ sind einfach zu verschieden. Wahrscheinlich sollte man nur einfach keine merkwürdigen Wortkreationen benutzen.