Nun bin ich einige Male gefragt worden, was es mit meinen Protagonisten auf sich hat. Was an ihnen besonders ist. Gerne beantworte ich diese Frage, und dann … ja, dann präsentiere ich euch hier, im gleichen Artikel, eine Leseprobe. Die Leseprobe bei Amazon ist übrigens auch recht großzügig. Hier, für diesen Artikel, habe ich mich für eine Leseprobe entschieden, die so nirgends zu lesen ist. Sie stammt aus dem ersten Drittel meines Romans.
So, und nun zur Frage, was an meinen Protagonisten besonders ist. Gar nichts! Das Besondere an ihnen ist, dass es sich um ganz normale Menschen handelt, wie man sie überall trifft. Der männliche Protagonist ist kein Millionär. Meine weibliche Protagonistin ist kein wunderschönes Supermodel, sondern eine hübsche Frau mit Ecken, Kanten und nach ihrer bisherigen Entwicklungsgeschichte auch mit Wünschen, Träumen, Sehnsüchten, Hoffnungen, aber auch vielen Ängsten ausgestattet. Meine Protagonisten haben Freunde, die ebenfalls „ganz normale Menschen sind“. Es wird geraucht, es wird Bier getrunken, es wird Motorrad gefahren, gekifft, gestritten und geliebt. Und: Sie sind alle Ü40. Diese Generation gibt es nämlich auch noch und Liebe ist nichts, was nur Menschen zwischen 20 und 30 erlaubt ist. Außerdem kann man auch mit 40 und 50 Jahren noch cool sein. Die Menschen in meiner Welt sind es jedenfalls.
Und nun zur Leseprobe!
Ja, Sophie war glücklich und nach nicht einmal einer Woche des Zusammenseins konnte sie sich ein Leben ohne Tom schon gar nicht mehr vorstellen.
„Zeig mal ein Foto von Mister Harley!“, verlangte Sina. „Ich muss eine Qualitätskontrolle durchführen.“
Lachend griff Sophie nach ihrem Smartphone und zeigte ihren Freundinnen die Fotos, die sie in den wenigen Tagen geschossen hatte. Jede Menge Fotos für diese kurze Zeit!
Fotos von Tom am Herd. Fotos von Tom auf der Harley. Fotos, die sie von ihm im Biergarten gemacht hatte. Fotos von Odin und Thor. Fotos, die sich Miriam und Tanja begeistert anschauten, während Sinas Miene eine andere Sprache sprach.
„Also so gut aussehend finde ich ihn jetzt nicht“, sagte Sina. „Aber er muss ja dir gefallen.“
Miriam runzelte die Stirn. „Kommt es darauf an?“, fragte sie. „Muss ein Mann gut aussehen?“ Sie wirkte verärgert. „Außerdem, ich finde schon, dass er gut aussieht und er hat auf jeden Fall dieses gewisse Etwas. Ich freue mich schon, ihn bald mal kennenzulernen.“
„Jaaaa“, sagte Sina. Es war kein begeistertes, lang gezogenes Ja. Es war ein miesepetriges Ja.
Sophie ärgerte sich wahnsinnig. Was sollte das denn? Sie sprachen hier immerhin von ihrem neuen Freund. Von dem Mann, der sie glücklich machte und darauf kam es an! Als Frau, die in Sophies engstem Kreis verkehrte, sollte Sina eigentlich wissen, wie es ihr gefühlsmäßig in den letzten Jahren ergangen war. Oder ahnen? Eigentlich wusste nur Miriam so richtig Bescheid über ihre Gefühlssituation. Dass sie sich wie innerlich tot gefühlt hatte, und das über Jahre. Tanja wusste, dass sie der Umstand, sich nicht mehr verlieben zu können, ziemlich unglücklich gemacht hatte. Sina wusste einfach nur, dass ihr nie mehr ein Mann begegnet war, der ihr gefallen hatte. Jeder Mensch, der mit ein wenig Empathie ausgestattet ist, müsste im Grunde mit solchen Informationen eine Menge anfangen können. Tatsache aber war, dass Sina niemals Fragen stellte, die mit Sophies innerem Erleben zu tun hatten. Tanja stellte Fragen, konnte aber vieles nicht nachvollziehen. Miriam hingegen wusste alles von Sophie. Die Unterschiede, die Sophie zwischen ihren Freundinnen machte, mochten nur aus feinen Nuancen bestehen, und doch waren sie entscheidend.
„Ich finde, er sieht so abgeranzt aus“, verkündete Sina.
„Abgeranzt?“, wiederholte Sophie. Sie war stinksauer. „Wie bitte?“
„Ja, so ein bisschen. Viel zu lange Haare. Und was ist das da auf seiner Wange?“
„Eine Narbe“, sagte Sophie kühl. „Du musst schon genau hinsehen, über dem Auge ist auch noch eine.“ Purer Sarkasmus, Provokation?
Miriam kannte nicht nur Sophie, sondern auch Sina gut genug um zu wissen, dass dieser Abend alles andere als harmonisch verlaufen würde. Sie runzelte die Stirn, mischte sich aber nicht ein.
Sina seufzte. „Ja, siehst du. So ein Biker-Typ. Die sind doch alle gewalttätig.“
„Zu viel dumme Filme im Fernsehen gesehen, was?“, zischte Sophie zornig.
Ja, sie verspürte plötzlich eine Aggression gegen Sina, die wahrscheinlich in ihrem Ausmaß ziemlich unangemessen war. Sina war soweit eigentlich ganz nett, aber sie war auch sehr oberflächlich. Ihre Aussagen zu Toms Aussehen bestätigten Sophies Eindruck.
Sophie legte ihr Smartphone auf den Tisch und widmete ihre Aufmerksamkeit der Vorspeise. Das Carpaccio war sehr lecker, auch wenn sie es Sina in diesem Moment am liebsten mitsamt dem Teller ins Gesicht geklatscht hätte.
„Woher hast du denn das Rezept?“, lenkte Miriam ab, und sie schenkte Sina ihr schönstes Lächeln. Die gute Miriam! Immer um Harmonie bemüht!
„Ich war neulich zum Essen eingeladen und da gab es diese Vorspeise. Ich habe mir einfach nur gemerkt, welche Zutaten man verwendet und meine eigene Kreation gemacht. Freut mich, dass es euch schmeckt!“
„Es sind doch nur die Tomaten, die was mit Eigenkreation zu tun haben“, konnte Sophie sich eine bissige Bemerkung nicht verkneifen. Sina quittierte es mit einem giftigen Blick.
„Mit wem warst du denn essen?“, fragte Tanja neugierig.
Sina legte ihr Besteck beiseite, tupfte sich mit der Serviette die Mundwinkel ab und lehnte sich entspannt im Küchenstuhl zurück. „Er heißt Harald und ich habe ihn kennengelernt, weil er einen Versicherungsvertrag bei uns abgeschlossen hat.“ Sie sah triumphierend in die Runde. „Eine mächtige Versicherung übrigens. Er hat richtig Kohle und hat sozusagen eine Investition getätigt. In zehn Jahren wird ihm das Ganze ausbezahlt und er hat noch mehr Kohle.“
„Du lässt dich mit einem Kunden ein?“, fragte Miriam. Sie wirkte fassungslos. Sina arbeitete als Sekretärin bei einem Versicherungsmakler, auch wenn sie sich Office-Managerin nannte. „Warum denn nicht?“, antwortete Sina. „Er ist attraktiv und vermögend. Wie man sich bettet, so liegt man, oder?“
Sophie schwieg. Es betrübte sie immer sehr, wie oberflächlich Sina ihre Entscheidungen traf. Allerdings war sie in diesem Moment weniger betrübt, als stinksauer. Die Bemerkung zu Toms Aussehen hatte sie sehr verletzt. Im Grunde war es ihr egal, ob Sina ihn attraktiv fand oder nicht. Sinas Meinung war nicht wichtig. Es war die ihre abfällige Haltung, die Sophie so wütend machte. Sie fühlte sich wie eine Verräterin: Sie saß hier mit einer Frau zusammen an einem Tisch, die soeben den Mann, den sie jetzt schon abgöttisch liebte, zutiefst beleidigt hatte. Ja, man konnte das Kind ruhig beim Namen nennen: Sophie war stinksauer und sie musste sich schwer zusammenreißen.
Miriam erhob sich. „Da wir ja gleich mit der Vorspeise durch sind, müssen die Steaks in die Pfanne.“ Sie schaltete die Herdplatte ein, auf der die Pfanne stand, und kippte die vorbereiteten Pommes in die Fritteuse. Tanja stand neben Miriam bereit, um das Ganze auf den Tellern schön anzurichten. Sina holte eine Flasche Weißwein aus dem Schrank und füllte die bereit stehenden Gläser.
„Verdammt, ich muss noch fahren!“, sagte Miriam. Sie reagierte genervt und Sophie wusste, es ging auch ihr um die oberflächliche Bemerkung zu Toms Aussehen. Miriam hasste Oberflächlichkeit.
Sina schien zu spüren, dass weder Miriam, noch Sophie ihr in diesem Moment Wohlwollen entgegen brachten. Also tat sie das, was sie immer tat: Als wäre überhaupt nichts gewesen.
„Magst du lieber Apfelsaft?“, fragte sie freundlich. Miriam nickte. Tanja hingegen schob ihr Glas in Richtung Weinflasche und nickte Sina aufmunternd zu. Das konnte sie sich allerdings erlauben, denn sie war an diesem Abend mit Miriam gekommen, und musste nicht selbst fahren.
Sophie hingegen hätte eigentlich fahren müssen, war aber der Meinung, mit einem Glas Wein im Kopf sei Sina für den Rest des Abends besser zu ertragen. Also deutete sie auf ihr Glas. „Ich nehme auch einen.“
Für einige Minuten herrschte betretenes Schweigen.
Die Steaks und die Pommes wurden schließlich fertig. „Wie lecker!“, jubelte Sophie. Ja, mit einem Schluck Wein fühlte sich Sinas Gesellschaft leichter an. Allerdings war es auch ein sehr großer Schluck gewesen. Sophie hatte ihr Glas in einem Zug leer getrunken, und Sina hatte umgehend nachgeschenkt.
„Na, jetzt erzähl mal“, forderte sie Sophie auf, als alle am Tisch saßen und zu essen begannen. „Dieser Mister Harley, den hast du tatsächlich beim Einkaufen kennengelernt?“
Sophie nickte. Das Steak mit der Soße war absolut köstlich. Sie schloss kurz die Augen und ließ sich den Geschmack auf der Zunge zergehen, bevor sie das nächste Glas Weißwein in einem Zug leerte.
„Ist ja interessant“, plapperte Sina. „Ich habe noch nie einen Mann beim Einkaufen kennengelernt.“
„Wahrscheinlich, weil du nicht auf die Männer achtest, die du beim Einkaufen triffst“, antwortete Sophie. „Da ist ja nicht sofort ersichtlich, ob sie Geld haben oder nicht.“ Ihre Miene verfinsterte sich.
„Ach Sophie“, sagte Sina. „Du bist beleidigt, weil ich deinen Mister Harley nicht attraktiv finde. Und weil ich ein Date mit einem Mann hatte, der Geld hat. Wo ist denn das Problem?“
„Es gibt kein Problem“, stieß Sophie wütend, hervor. Der Wein zeigte bereits deutliche Wirkung. Eigentlich war sie viel zu wütend, um Alkohol zu trinken. „Ich kann nur deine Art nicht leiden, deine Zuneigung vom Vermögen eines Mannes abhängig zu machen.“
Sina lächelte selbstbewusst. „Das kann ich verstehen, Sophie, aber nenne mir einen Grund, warum ich mich mit einem armen Schlucker einlassen sollte?“
„Wenn man sich in einen Mann verliebt, der nicht viel Geld hat, ist das doch auch egal, oder nicht? Verliebst du dich erst, wenn du den Kontostand kennst?“
Sina lachte. „Pass mal auf, Sophie, wir beide werden uns da nie einig sein. Wir müssen uns deswegen aber auch nicht streiten. Ich mag Männer mit Stil und das heißt: Gut gekleidet. Männer, die teure Duftwässerchen tragen. Die so was auch mal verschenken. Ein schönes Auto fahren …“
„… und so was auch mal verschenken!“, unterbrach Sophie sie unwirsch.
„Jetzt wirst du ungerecht. Ich habe mir meine Autos immer selbst gekauft!“
„Eben. Ganz normale Karren. Nichts Besonderes. Du hast den Anspruch, dass ein Mann Geld haben muss, aber hast selbst keines. Ich meine ja nur, stell dir das mal umgekehrt vor! Stell dir mal vor, du bist irre verschossen in jemanden und der erklärt dir, dass du für ihn nicht in Frage kommst, weil du ne arme Sau bist?“
Sina lachte. „Aber ich bitte dich, ich bin doch keine arme Sau!“
„Aber reich bist du auch nicht. Du fährst auch nicht jedes Jahr in den Urlaub, hast es nicht zu einer eigenen Immobilie gebracht und fährst ein ganz normales Auto. Also was erzählst du uns hier eigentlich?“
„Ach Sophie …“ Tanja seufzte. „Darum geht es doch gar nicht. Sina meint wohl …“
„Sina kann mir selbst sagen, was sie meint!“, bremste Sophie sie aus. Weil das zweite Glas Wein nun auch leer war, griff sie nach der Flasche und füllte ihr Glas ein drittes Mal.
„Du musst noch fahren“, mahnte Miriam vorsichtig. Doch dann lachte sie. „Ach, egal, ich fahre dich einfach nach Hause. Das Auto kann ja sicher hier stehen bleiben.“
„An der Schrottkarre wird sich schon keiner vergreifen“, sagte Sina.
Wütend warf Sophie ihr Besteck auf den Teller. Das reichte jetzt! Sie konnte sich selbst nicht erklären, warum sie sich von Sina an diesem Abend so provozieren ließ. Normalerweise nahm sie ihre merkwürdige Art zur Kenntnis – und immer Rücksicht auf Tanja, die Sina aus irgendeinem, ihr nicht verständlichen Grund, mochte. An diesem Abend schaffte Sina es wirklich, Sophie auf die Palme zu bringen. Sie griff nach ihren Zigaretten und setzte sich nach draußen auf den Balkon. Als sie nach ihrer Zigarettenpause, die sie eigentlich nutzen wollte, um sich zu beruhigen, die Küche betrat, herrschte erneut betretenes Schweigen am Tisch.
Bis Sina sich verlegen räusperte. Die Mädels hatten sie wohl in die Mangel genommen. „Tut mir leid“, murmelte sie leise. „Schon gut“, antwortete Sophie. Sie machte sich über ihr Steak her. Es war inzwischen kalt, aber es schmeckte trotzdem hervorragend. Nur die Pommes waren kalt ungenießbar. Sie blieben auf dem Teller liegen.
„Puh!“, seufzte Miriam. „Verdauungszigarette vor dem Dessert?“
Gemeinsam gingen sie auf den Balkon. Sie rauchten schweigend. Es herrschte eine unangenehme Stille, die völlig unüblich war. Normalerweise schnatterten die vier Frauen als gäbe es kein Morgen, wenn sie aufeinandertrafen. Aber die Stimmung war dahin, und Sophie grübelte einen Moment über der Frage, ob sie sich nun schuldig fühlen sollte an diesem Umstand. Aber warum eigentlich?
„Jetzt erzähl doch mal von deinem Wunderknaben“, forderte Tanja Sina auf. „Wie hieß er noch, Harald?“
Sina zuckte mit den Schultern. „So viel habe ich noch nicht zu erzählen. Er fährt einen superschicken Mercedes und ist wohl der Leiter der IT-Abteilung irgendeiner Bank. Außertarifliche Bezahlung also. Er hat wohl auch schon von Haus aus Geld.“
Sophies Innerstes rebellierte gegen jedes einzelne Wort, das aus Sinas Mund kam, aber sie hielt sich mit aller Kraft zurück.
„Jedenfalls …“ Sina seufzte. „Wir sind noch nicht in die Vollen gegangen. Er lebt mit einer Frau zusammen. Ziemlich lange schon. Er sagt, er liebt sie nicht mehr und möchte sie schon länger verlassen. Ich warte jetzt erst mal ab.“
„Trefft ihr euch denn noch mal?“, fragte Tanja interessiert.
Sina nickte. „Jetzt am Freitag.“
„Was erzählt er denn seinem Frauchen zu Hause, wohin er geht, wenn er sich mit dir trifft?“, fragte Sophie. Sie kniff die Augen zusammen.
Sina zuckte mit den Schultern. „Keine Ahnung, aber das ist ja auch nicht wichtig für mich. Das ist seine Sache. Ich bin Single und ich bin bereit für ihn.“
Miriam warf Sophie einen flehenden Blick zu. Halt die Klappe, sollte dieser Blick wohl sagen. Halt die Klappe, Sophie. Du weißt doch, dass sie eine dumme Kuh ist, aber Tanja hängt doch so an ihr …
Sophie ging wortlos zurück in die Küche, griff nach ihrem Smartphone und wählte Toms Nummer. Er ging schon nach dem dritten Klingeln an sein Telefon. „Baby, was ist los?“, fragte er.
„Woher weißt du, dass ich es bin?“ Jetzt erst merkte Sophie, dass sie betrunken war. Sie hatte tatsächlich ein paar Probleme mit ihrer Sprache. Sie lallte – und sie hörte Tom lachen. Miriam, Sina und Tanja hatten den Balkon auch verlassen und setzten sich wieder auf ihre Plätze in der Küche.
„Wie viel hast du denn getrunken, Liebes? Ich habe deine Nummer gespeichert.“ Wieder lachte er. „Ein Wunderwerk der Technik, ich bin begeistert. Man kann Telefonnummern speichern und weiß dann immer, wer gerade anruft!“
„Ach so“, sagte Sophie. „Kannst du mich abholen? Ich habe zu viel getrunken. Und die Gastgeberin ist eine dumme Sau, die sich mit einem Mann einlässt, weil er Geld hat und obwohl er eine Frau zu Hause sitzen hat. Ich will hier nur noch weg.“
„Gib mir die Adresse. Ich bin in ein paar Minuten da. Wäre gut, wenn du schon unten stehen würdest, oder schaffst du das nicht mehr?“
„Doch, doch!“, versicherte sie ihm. „Ich schaffe es nur nicht mehr lange, hier in dieser Wohnung mit dieser Frau zusammen zu sitzen, ohne sie vom Balkon zu werfen.“
Sie gab ihm die Anschrift durch und legte auf. Miriam versuchte krampfhaft, sich das Lachen zu verkneifen. Tanja und Sina starrten Sophie mit offenem Mund an. Sinas Blick war finster.
Sophie packte ihr Smartphone in die Handtasche und griff nach ihrer Jacke. „Macht`s gut Mädels“, sagte sie betont fröhlich. „Lasst euch das Tiramisu schmecken. Und du Sina, du erstickst hoffentlich dran!“
Sie rauschte aus der Wohnung, die Treppen aus dem zweiten Stock nach unten und setzte sich vor der Haustür auf einen großen Stein, der zur Zierde inmitten der schönen Bepflanzung vor dem Haus stand. Sie zündete sich eine Zigarette an und kaum hatte sie fertig geraucht, sah sie Toms Jeep um die Ecke biegen. Also stand sie auf und lief zum Straßenrand, wo er fast im gleichen Moment anhielt. Sie stieg ein und schnallte sich an. Zumindest versuchte sie es, doch sie verfehlte mit dem Gurt mehrmals die Schnalle.
„Oh weh, du hast aber Stoff, hm?“, sagte Tom. Er beugte sich über sie und befestigte den Gurt. „Wie viel hast du denn getrunken? Und warum willst du deine Freundin vom Balkon schmeißen?“
Sophie zuckte mit den Schultern. „Drei oder vier Gläser Wein. Und ich würde sie gerne vom Balkon schmeißen, weil sie sich mit einem Mann einlässt, der eine Lebensgefährtin hat.“
Tom fuhr los und trotz ihres Alkoholpegels entging ihr das Grinsen um seinen Mund nicht. „Was ist so lustig?“, fragte sie.
Er schüttelte den Kopf. „Eigentlich ist das nicht lustig. Ich gehe mal davon aus, dass du auch mal für eine andere Frau verlassen worden bist, sonst würdest du bestimmt nicht so heftig reagieren.“
„Genau das. Aber ich habe mich auch selbst vorher nicht mit vergebenen Männern eingelassen und ich habe es schon immer gehasst, wenn eine Frau so was tut.“
Er zuckte mit den Schultern. „Das war schon immer so, Baby. Schon vor zweitausend Jahren und auch vor dreitausend Jahren. Es ist nicht in Ordnung, aber eigentlich kann man die Menschen nicht verurteilen, die einen anderen Menschen attraktiv finden und sich verliebt haben. Ist doch klar, dass sie sich nicht für den Menschen an dessen Seite interessieren. Aber das Opfer der Begierde ist es, das lernen muss, nein zu sagen. Seinen Trieb in den Griff zu kriegen.“
Er sah Sophie kurz an, dann schaute er auf die Straße. „Weißt du, wenn der Mann nicht nein sagen kann, dann liebt er seine Partnerin auch nicht. Dann hat die arme Frau so oder so etwas Besseres verdient.“
„Das hilft nicht über den Schmerz hinweg, wenn man verlassen wird und um diesen Menschen trauert. Wenn man betrogen, vielleicht sogar verlassen wird für jemand anderen, dann tut das entsetzlich weh. Und auch wenn die verlassene Person garantiert jemanden verdient hat, der besser ist, das sind nicht die Dinge, über die man in einer solchen Situation nachdenkt.“
Er nickte. „Da hast du Recht.“ Ihm entfuhr ein tiefer Seufzer. „Und ich nehme an, eine Freundin weniger seit heute.“
„Sie war nie meine Freundin. Meine beste Freundin ist Miriam. Mit Tanja bin ich auch gut befreundet. Sina ist eher Tanjas beste Freundin. Ich konnte bisher immer die Klappe halten, obwohl sie nur oberflächliches Gequatsche von sich gibt und ich finde, sie ist nicht richtig echt. Sie widerspricht sich oft selbst und ihre Blicke passen meist nicht zu dem, was sie sagt. Sie sagt, sie liebt ihr Single-Leben, aber das habe ich ihr nie geglaubt. Seit heute weiß ich, dass sie über Leichen gehen würde, um einen Mann zu kriegen.“
Das Sprechen fiel ihr schwer, und sie spürte selbst, dass sie verräterisch lallte. Aber in ihrem Zorn schaffte sie es trotzdem, auszusprechen, was ihr auf der Seele brannte.
Tom lachte. „Baby, weißt du, das läuft ja meist so, wenn dieser Mann jetzt seine langjährige Lebensgefährtin für deine Bekannte verlässt – mit dem hat sie ohnehin nicht lange Spaß. Er wird eines Tages auch sie verlassen, wahrscheinlich auch für eine andere Frau. Das Universum sorgt immer für ausgleichende Gerechtigkeit.“
Sophie lehnte sich in ihrem Sitz zurück. Sie waren schon fast zu Hause. „Du bist so klug“, lallte sie, und schloss die Augen für einen Moment. Sie öffnete sie aber sofort wieder, als sich das Auto zu drehen begann. Oder nur der Sitz? Oder nur sie selbst?
Tom lachte. „Ich bin nicht klug. Du bist einfach nur betrunken.“
Für den Rest der Fahrt schwiegen sie und nachdem Tom das Auto im Hof geparkt und das Hoftor verschlossen hatte, öffnete er von außen die Beifahrertür. „Na komm, Miss Sophie, ich trage dich mal rein.“
„Ich muss nicht getragen werden. Ich kann das alleine.“
Tom lachte, hob sie auf seine Arme und schloss die Autotür mit einem Fußtritt. „Oh Gott, mir ist schlecht!“, stöhnte sie, und schlang ihre Arme um seinen Hals. „Du bist so groß, das ist überhaupt nicht gut, wenn man betrunken ist, und wird von dir getragen. Lass mich bloß nicht fallen.“
„Niemals“, sagte Tom, und küsste sie, wie er es so oft tat, auf die Stirn. „Aber ich werde deinen Zustand ausnutzen und dich ficken, bis dir hören und sehen vergeht.“
„Aber wenn schon, dann auf dem Küchentisch!“, kicherte Sophie albern.
„Das kannst du haben!“, sagte Tom lachend. Sie waren inzwischen in der Küche angekommen. Er legte Sophie auf den Tisch, nestelte an ihrer Jeans herum, riss sie leidenschaftlich von ihren Beinen und drang fast augenblicklich in sie ein.
„Schwein“, seufzte Sophie. „Den Zustand einer betrunkenen Frau auszunutzen, das gehört sich nicht!“
Tom lachte heiser und legte sich mit dem Oberkörper auf sie. „Dafür stoße ich dich jetzt ein wenig sanfter“, flüsterte er ihr ins Ohr und knabberte einen Herzschlag später an ihrem Ohrläppchen. Gleichzeitig bewegte er sich langsam, kreisend, ja, so sanft in ihr … sie hätte schreien können vor Glück.
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